„Der Betrieb ruht“ …
Auf den Tag genau drei Monate ist es jetzt her. Bis jetzt war ich in den sozialen Medien nicht sehr aktiv. Meine Kunden und Kundinnen habe ich natürlich informiert und zum Teil auch auf dem Laufenden gehalten, aber zu mehr fehlte mir ehrlich gesagt die Motivation und teilweise auch der Mut. Ich musste mich in die Situation sehr hineinfinden, während ich aber wusste: wenn ich das jetzt nicht zu tausend Prozent akzeptiere, wird es nur noch schwerer.
Was ist überhaupt passiert?
Ich habe mir vor zwölf Wochen bei einem eher unspektakulären Sturz mit dem Pferd das rechte Kreuzband gerissen, ein Innenband war zudem angerissen. Der angebrochene Oberschenkelknochen war das kleinste Problem, den habe ich nie gemerkt. Gehört wohl eh meist standardmäßig dazu beim Kreuzbandriss.
Nachts in Neuperlach: Mein Gesichtsausdruck in der Notaufnahme spricht Bände. Wenngleich mir hier das ganze Ausmaß noch nicht annähernd bewusst war.
In der Sonografie am nächsten Tag zeigte sich der Innenbandriss.
Aber erst das MRT brachte die erschreckende Gewissheit Kreuzbandriss: Das Jahr ist für mich gelaufen.
In dem Moment des Unfalls selbst dachte ich jedoch, es wird nur geprellt sein. Man will ja „aufstehen und weitermachen“. Ich wollte in drei Tagen nach Kreuth, die German Paint stand an. Als ich zwei Tage später aus dem MRT kam, wusste ich:
- Die German Paint findet ohne mich statt.
- Die Euro Paint findet ohne mich statt.
- Die komplette EWU-Saison fällt für mich aus.
- Meine Reitschüler und Berittkunden müssen wochen- und monatelang auf mich verzichten.
- Ich werde monatelang nicht reiten können.
- Ich schaffe es auch mit meiner Jährlingsstute nicht auf die Zuchtschau.
Nicht nur die zweite Hälfte des Jahres war und ist für mich geprägt von Verzicht, Akzeptieren und Loslassen.
Es hatte bereits angefangen, als ich die Nennung für die Double Show stornieren musste, weil meine Stute seit Februar nicht klar lief. Insgesamt drei abgesagte Trainer-Kurse und vier abgesagte Turniere, eine abgesagte Zuchtschau. Auch die von mir geplanten Kurse: verschoben.
Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch. Mir fiel das unglaublich schwer. Man denkt, alles rinnt einem durch die Finger.
Die ersten Wochen nach dem Kreuzbandriss
Ganz am Anfang konnte ich nicht mal meine Pferde besuchen, weil das mit Schiene und Krücken und der Organisation mit dem „gefahren werden“ einfach nicht so einfach ist, wie es zunächst klingt.
Aber das Traurigste war: Ich wollte gar nicht. Ich entwickelte eine „Was-soll-ich-da?“-Einstellung. Das Leben fand doch sowieso ohne mich statt. Mein kleines Pferd wurde ohne mich groß. Meine Stute war nun endlich wieder fit – aber seit diesem Tag wurde sie nicht mehr geritten.
Selbst in Großhadern: Ein Pferd!
Meine neuen ständigen Begleiter: Krücken und Schiene
Erste Versuche ohne Gehhilfen
Der Weg zurück
Ich hingegen war und bin zwei Mal pro Woche in der Physiotherapie und auch zu Hause sehr beschäftigt mit meinen Übungen.
Anfangs ging es nur darum, das Knie überhaupt beugen und strecken zu können. Ich konnte in der allerersten Zeit nicht mal aus eigener Kraft meinen Unterschenkel von der Liege heben. Die Verbindung von Gehirn und Muskel war quasi zeitweise unterbrochen. Langsam erarbeitete ich mir das Anspannen des Oberschenkelmuskels, das Strecken und Beugen und das Gehen ohne Krücken. Der Muskel war weg.
Diesen schicken Retro-Ergometer habe ich für € 10,00 bei Kleinanzeigen ergattert. Was wäre ich jetzt ohne ihn!
Warten auf Abholung von der Physiotherapie …
Mal mehr, mal weniger Motivation …
… manchmal liegt meine Katze mehr auf der Sportmatte als ich.
Alles war weg
Alles, was einem bislang ganz selbstverständlich erschien, muss man sich neu erarbeiten. Das Gehen ohne Krücken, das Weglassen der Schiene, normales Treppensteigen mit nur einem Schritt pro Stufe. Aber auch an andere Dinge musste ich mich erst wieder herantasten. Der Unfall hatte mich mit so einer Wucht aus meinem normalen Alltag katapultiert, dass ich plötzlich ein ganz anderes Leben lebte als zuvor.
Denn alles, was ich Tag für Tag gemacht hatte, war auf einen Schlag weg.
Es dauerte eine Weile, bis ich mir mit ersten kleinen Besuchen am Stall über den Pferdegeruch, das weiche Fell, das Putzen und Füttern ein Stück Normalität zurückholen konnte. In den ersten zwei bis drei Wochen nach dem Unfall jedoch hätte mich das alles noch überfordert. Ein seltsamer Zustand.
Wieder mehr mit meinen Pferden machen zu können, tut gut.
Etappenziele
Bei meinen Spaziergängen stand ich immer ehrfürchtig am Fuß dieser Treppe und dachte: „Da will ich bald ganz hoch- und wieder runtergehen können.“ Vor allem das Hinuntergehen von Treppen fiel mir anfangs unglaublich schwer.
Dank meiner Physiotherapeuten habe ich das dann auch bald geschafft.
Inzwischen sitze ich 20 bis 30 Minuten täglich auf dem Ergometer und fahre ca. zehn Kilometer mit einem Schnitt von 27 bis 30 km/h, ich mache tagtäglich anstrengende Kraft- und herausfordernde Koordinationsübungen. Ich habe echt gekämpft und seit Beginn meiner Physiotherapie drei Zentimeter Muskelmasse aufgebaut. Seit ein paar Wochen gehören auch Sprünge zu meinem Physio-Programm, ich stehe quasi kurz vorm Joggen.
Ich würde wohl kurz vorm Reiten stehen, wenn ich nicht auch kurz vor der OP stünde. Nach der Kreuzband-OP fange ich mit allem wieder von vorne an. Ich werde wieder lernen müssen, meinen Oberschenkel anzuspannen, mein Bein von der Trainingsmatte anzuheben, ohne Krücken zu gehen. Ich werde den ganzen Ablauf bis hierher noch einmal wiederholen müssen, und in drei Monaten hoffentlich wieder da sein, wo ich jetzt bin.
Wie geht es jetzt weiter?
Wenn alles so läuft wie geplant – oder sagen wir besser: wie erhofft, denn planen kann man das alles leider nicht mit allzu großer Genauigkeit – dann bin ich vielleicht nächstes Frühjahr wieder in der Lage, meinen Job vollumfänglich auszuüben. Bis dahin werde ich hoffentlich ab ca. Ende Oktober auch langsam wieder mit dem Unterrichten anfangen.